Facettenreicher Mensch. Acht Jahre hat ein Teil meiner Arbeiter, neben den ganz herkömmlichen Beratungs- und Coachingprozessen für Mitarbeiter und Führungskräfte/Kader darin bestanden, in der Schweiz Menschen in ihrer beruflichen Identität zu begleiten. Sechs bis achtmal im Jahr hatte ich Gruppen mit ca. 12-15 Teilnehmern für zehn Tage in einem Kurs, der dazu diente, dass die Teilnehmer ihren beruflichen Standort und ihre Arbeitsmarktfähigkeit reflektierten. Alle waren zum Kursstart Menschen die ihren Arbeitsplatz verloren oder selbst aus sehr unterschiedlichen Gründen gekündigt hatten. Dutzende von Lebensläufen sind durch meine Hände gelaufen. Oft konnte ich einen roten Faden entdecken und vielfach suchte ich vergeblich danach. Je nach Dauer der Arbeitslosigkeit gab es Menschen in den Kursen die voll motiviert und zuversichtlich vor mir saßen und andere die völlig desorientiert und hoffnungslos, schon lange aufgegeben hatten. Ich beobachtete in diesen Jahren in den Gesprächen die Beweggründe des Einzelnen, fragte nach, hörte zu, fragte erneut nach und erhielt spannende Informationen darüber, was und wodurch die jeweiligen beruflichen Entscheidungen geprägt waren. Ich konnte Verbindungen herstellen zwischen biografischen Erfahrungen aus der Herkunftsfamilie und prägenden Lebensherausforderungen in den ersten Jahren. Heute denke ich, dass die ersten Jahre mit entscheidend sind für die berufliche Entwicklung, für Abbrüche, respektive Stagnation der beruflichen Identität. Ein großer Spannungsbogen an ganz unterschiedlichen Gefühlen und Bedürfnissen fand in diesen Begegnungen und Gesprächen seinen Platz. Frustration, Ärger, Enttäuschung, Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Euphorie, Freude, Angst. Alle diese Emotionen machten diese Kurse bunt und vielfältig. So vielfältig wie diese Emotionen, so facettenreich waren die Charaktere und Persönlichkeiten dieser gestrandeten Menschen. Angespült vom Arbeitsmarkt um zeitnah und pragmatisch demselbigen Arbeitsmarkt wieder zugeführt zu werden. In diesen Jahren habe ich viel gelernt über menschliche Abgründe und Zwänge, die ein System sich auferlegt und weitergibt. Den Facettenreichtum den die Gestrandeten mitbrachten konnte kaum Rechnung getragen werden. Entscheidender war, dass Ziele des Systems bedient und erreicht wurden. Aber dient das dem Menschen, der als Individuum gesehen und wahrgenommen werden will? Und wie viel ist die Würde des Menschen wert, wenn er unter unwürdigen Umständen seine Arbeit verrichten und sinnentleerten Zielen Rechnung tragen muss? Welche Rolle spielen perfekte Bewerbungsunterlagen, wenn einer Teilnehmerin des Kurses ein Tumor im Kopf wächst und ihr Leben vielleicht in ein paar Monaten zu Ende ist. Um so wichtiger erscheint es mir, in einer Zeit in der viele mit großer Begeisterung die digitale Welt preisen und anbeten und ich selbst gehöre auch zu den Anwendern dieser neuen Welt, dass wir menschenwürdige Rahmenbedingungen schaffen, die human und wertschätzend, wohlwollend und liebevoll dem einzelnen Menschen begegnen und seine Einzigartigkeit in den Fokus nehmen. Ich bin sehr dankbar für diese acht Jahre und die facettenreichen Begegnungen, Gespräche, Fragen und Auseinandersetzungen. Sie haben meinen Blick noch einmal fokussiert und meinen Horizont, der Transaktionsanalytiker würde sagen, meinen Bezugsrahmen erweitert. Menschlichkeit und Solidarität wird in Zeiten wie diesen, zu einem Überlebensfaktor für unsere Gesellschaft. Zukünftig werde ich mich noch stärker dem Einzelnen in der Beratung zuwenden. In Basel am Aescheplatz, Malzgasse 28, haben wir dafür ein wunderschönes Büro und einen Beratungsraum anmieten können, der dazu dienen wird, Menschen in ihren individuellen Entwicklungsprozessen zu fördern und zu begleiten.